Stürmisches Unterfangen


47°39‘ N 009°29‘ E

Der Klimawandel ist da. Die Gewitterhäufigkeit nimmt zu – an sich keine Neuigkeit, auch wenn die Tatsache von vielen gern ignoriert wird. Handfeste Sommergewitter gibt es immer schon. Anfangs ziehen da noch die niedlichen Cumulus Castellanus oder Congestus-Wölkchen am Himmel. Die kleinen turmartigen Wolken brauen sich, oft völlig unbeobachtet, langsam, aber sicher zu den gefürchteten Cumulonimbus zusammen. Manche glauben gar nicht, dass sie davon erwischt werden könnten. Schauen auf ihre Wetter-App und sehen – nichts. Segler beherrschen das Phänomen Gewitter sehr genau, verfügen sie auf ihren Schiffen doch sogar über Sturmsegel. Und die wollen ja schließlich auch mal genutzt werden! Außer auf einer Regatta.

Regattasegler kennen keinen Sturm

Während einer sportlichen Regatta fällt es Seglern jedoch im Normalfall nicht im Traum ein, die Segel zu wechseln oder zu verkleinern, nur weil da ein Gewitter kommen könnte. Auch wenn die App auf dem Handy auf die Stunde genau taktet und sogar rechtzeitig per Push-Mail warnt. Wer refft, verliert, heißt es. Selbst tragische Vorfälle machen den Regattasegler nicht schlauer. Alles ist schon da gewesen: Skipper gehen im Eifer des Gefechts während eines Sonnenschusses über Bord und werden nur durch andere vorbeifahrende Schiffe gerettet – wohlgemerkt nicht vom eigenen. Aber selbst exakte Wetterprognosen aus der Handy-App lassen so manchen Segler kalt.

Windprognosen

Ein Fall überrascht selbst den Segelfreund: Während der Siegerehrung war ein kleiner Smalltalk zu vernehmen – über mittlerweile unkalkulierbare Wetterentwicklungen aufgrund des Klimawandels. Keinerlei Verlass gäbe es auf die Online-Wettervorhersage. Wie knapp doch alles war, dass man eigentlich viel früher im Ziel gewesen wäre, wenn da die Böschung nicht im Weg gewesen wäre… Böschung? Aber der Reihe nach: Völlig unvorhersehbar hatte der Wind aus westlichen Richtungen aufgefrischt. Klar, der Segler konnte das wohl hinter sich, auf seinem Weg nach Osten, gar nicht so wahrnehmen… Schließlich befand er sich kurz vor der Zielgeraden – bereits gut neun Stunden nach dem Startschuss der Langstrecken-Regatta. Die App am Morgen hatte mäßigen Wind prognostiziert. Im Regattamodus war er natürlich auch nicht auf eine Verkleinerung der Segel aus gewesen, um damit vielleicht einer Kenterung oder anderen ernsthaften Problemen rechtzeitig aus dem Weg zu gehen. Als Kenner der typischen Windsituationen auf seinem See hatte er an diesem Tag schon Sonne, Regen, Flauten und Böen überstanden. Er sah sein Ziel schon mehr als deutlich vor seinem inneren Auge. Plötzlich jedoch unterbrach ein dumpfes Krachen seine Freude über die bevorstehende Überquerung der Ziellinie.

Schuld ist nur die Digitalisierung…

Nach einer Weile ertönte leise eine Sirene, schnell wurde der Ton lauter. Der betroffene Anrainer hatte vorsorglich Feuerwehr und Krankenwagen organisiert. Das große Loch in seiner Hecke ließ ihn das Schlimmste vermuten. Aber dem Segler pressierte es. Nach kurzer Verabschiedung schob er das Schiff mit seiner Crew ins Wasser zurück und stach in See. Kurzer Blick aufs Handy: Wind aus unmöglicher Richtung! Aber irgendwie ließen sich die Segel dann doch einstellen. Geschafft. Er war der Letzte auf der Ziellinie.